Herborn feiert Reformation
Auf dem Herkulesparkplatz machte das EKD-Geschichtenmobil Station. Der himmelblaue Lastwagen hält auf seiner Tour nach Wittenberg in 68 Orten der Reformation in 19 europäischen Ländern. Im Inneren des Trucks konnten sich die Interessierten multimedial über die Geschichte der Reformation informieren; auch ein Kurzfilm über die Bedeutung Herborns für die Reformation war dabei. Hunderte Besucher hatten neben der Ausstellung auch die Möglichkeit, an Spielstationen tätig zu werden und den Hunger am Waffelstand oder der Würstchenbude zu stillen.
Der Weimarer Sänger Jonny vom Dahl, bekannt aus der TV-Castingshow „The Voice of Germany“, gab am Nachmittag ein Open-Air-Konzert vor dem Geschichtenmobil. Begleitet wurde er dabei von Benedikt Jung am Bass. Der Kontakt kam über Dekan Roland Jaeckle zustande, der seit Jahren mit den Eltern vom Dahls bekannt ist.
„Ich freue mich riesig, hier zu sein, die Stimmung ist super, viele Leute sind da und ich liebe die Parkplatzatmosphäre, die hat etwas Besonderes“, war der Nachwuchssänger begeistert. „Außerdem ist es mein erstes Open-Air-Konzert gewesen“, fügte er nicht ohne Stolz hinzu.
„Hohe Schule“ und Corvin'sche Druckerei wichtige Standbeine für die 500 Jahre alte Reformation
Neben Coversongs wie „Barfuß“ von Clueso spielte vom Dahl vor allem Eigenkompositionen. „Auf Wiedersehen“ handelt von seiner verstorbenen Großmutter, in „Sinn zu sein“ stellt er die Frage, warum das Gute so kompliziert zu erreichen sei. Für seine nachdenklichen, ruhigen, aber gelegentlich auch schwungvolleren Töne, erhielt der christliche Musiker viel Applaus.
Ähnlich wie Sänger vom Dahl war auch Jaeckle vom hohen Besucherzuspruch erfreut: „Wir sind super zufrieden, das Wetter ist wirklich wunderbar und es gab viele gute Begegnungen“, sagte der Dekan.
Und die Besucher erschienen auch am Abend zahlreich zum offiziellen Festakt in der Konferenzhalle. Die etwa 600 Gäste erlebten dabei ein „buntes Programm“, wie Jaeckle es einleitend beschrieb. Pröpstin Annegret Puttkammer kündigte an, man werde nicht nur die Vergangenheit Revue passieren lassen, sondern auch „in die Gegenwart schauen und entdecken, wie die Menschen heute ihren Glauben leben“.
Sowohl Puttkammer als auch Jaeckle betonten dabei die Wichtigkeit von Herborn als Reformationsstadt. Denn hier hatte Casper Olevian, ein Freund Johannes Calvins, im Jahr 1584 die „Hohe Schule“ gegründet, in der nahezu 250 Jahre lang Landesbedienstete, Pfarrer und Lehrer ausgebildet wurden. Zudem veröffentlichte die Cornvin’sche Druckerei in Herborn Predigten von Johannes Calvin und druckte ab 1604 die „Piscator-Bibel“, die erste vollständige Bibelübertragung seit Luther – ergänzt durch Kommentare.
Weihbischof Dr. Thomas Löhr schilderte die Chance, Gott in Gesprächen mit Menschen aus anderen Länder, zum Beispiel den Flüchtlingen, entdecken zu können. Zudem erschien pünktlich zu den Feierlichkeiten ein Buch, in dem 24 Menschen aus der Region ihre Erlebnisse mit Gott und dem Glauben schildern. Moderator Prof. Stefan Claaß führte dabei mit Souveränität und gleichzeitig viel Witz durch die kurzweilige Veranstaltung.
In seinem Grußwort würdigte Landrat Wolfgang Schuster (SPD) das „geistige Erbe“ Luthers und hielt fest: „Reformation brauchen wir täglich!“ Er erinnerte an den Ausspruch von Willy Brandt, der zum Thema Veränderung einst sagte: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer. Darum besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“
Herborns Bürgermeister Hans Benner (SPD) war positiv überrascht über „so viel Freude“, welche die Menschen bei den Feierlichkeiten hätten. „So etwas möchte ich jeden Tag in der Stadt haben“, hielt er fest und bedankte sich für die gute Zusammenarbeit zwischen den Kirchen in Herborn und der Kommune. Zudem erinnerte er an die Schwierigkeiten, Luthers Botschaft zur damaligen Zeit – ohne Computer und Smartphones – schnell zu verbreiten.
Einen Dank an die Helfer sprach auch Kirchenpräsident Dr. Volker Jung aus und appellierte daran, Gott auch weiterhin immer wieder neu kennen lernen zu wollen.
Dass man Gott auch musikalisch entdecken kann, zeigte die heimische Sängerin Jördis Tielsch. Zu ihrem Song „Karussell“ gab sie dem Publikum die Botschaft mit auf den Weg, stets das „entdeckungsfreudige kleine Kind in sich zu bewahren. Auch im Glauben“.
Weitere mitreißende musikalische Beiträge lieferten drei Gospelchöre aus der Region. „IN(M) Takt“ aus Eibelshausen erhielten ebenso viel Applaus der begeisterten Zuhörer wie „Spirit & Joy“ aus Haiger und der „GospelPopChor“. Als alle drei Chöre am Schluss noch einmal in einer „Weltpremiere“, wie Pröpstin Puttkammer mit Augenzwinkern ankündigte, das Luther-Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ sangen, hob es die Zuschauer noch einmal von den Sitzen. So endete die knapp zweieinhalbstündige Feier verdientermaßen mit einer Zugabe.
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